Bereits seit April 2020 nutzen viele Schulen in Rheinland-Pfalz die Kommunikationssoftware „Teams“ des amerikanischen Konzerns Microsoft. Diese Plattform bietet Schülern sowie Lehrern die Möglichkeit der einfachen, digitalen Kommunikation per Video, wie auch eine Chatfunktion. Ebenfalls ist eine Aufgabenfunktion verfügbar, die es Lehrern ermöglicht, genaue Aufgaben zu stellen, welche die Schüler dann auch über jene Funktion einreichen können. Dies macht ein übersichtliches Arbeiten für beide Seiten möglich. Ein Kalender ist auch integriert, der die anstehenden Konferenzen geordnet aufzeigt.
„Teams“ ist de facto ein sehr übersichtliches, klar strukturiertes und einfach verständliches Programm, das nicht nur von Bildungseinrichtungen, sondern auch von Firmen genutzt wird.
Nun möchte die rheinland-pfälzische Landesregierung auf Empfehlung des Landesbeauftragten für Datenschutz den Schulen die Lizenz zur Nutzung von MS Teams entziehen. Die Begründung ist, dass bestimmte Nutzungsdaten in den USA gespeichert würden, womit die sehr hohen Standards der DSGVO nicht mehr gelten. Durch die Übermittlung bestimmter Nutzungsdaten in die USA bestünde die Möglichkeit der Weitergabe dieser Informationen an Werbepartner, sowie der Verwendung jener Daten durch Microsoft für eigene Zwecke. Eine Lösung hierfür wäre, die Daten in europäischen Rechenzentren zu speichern, sodass die vorausgesetzten Anforderungen erfüllt sind. Laut des Datenschutzbeauftragten gibt es aber auch hier ein Problem: Diagnose- sowie dienstgenerierte Daten sind hierbei nicht betroffen und diese Informationen werden weiter in den USA verarbeitet.
Naiverweise könnte man fragen, ob nicht das Einverständnis der Erziehungsberechtigten der Schüler (nach ausreichender Aufklärung, falls nicht schon erfolgt) genügt, um Teams weiterhin nutzen zu können. Des Weiteren frage ich mich, warum die Datenschutzstandards von Teams für viele Firmen hoch genug sind, aber scheinbar nicht für den Schulunterricht. Gerade weil bei der Nutzung des Programms durch Firmen Informationen ausgetauscht werden, die doch sicherlich diskreter behandelt werden müssen als ein Deutschaufsatz eines Schülers. Nicht umsonst wurden Namen der Schüler mit Abkürzungen verschlüsselt und die Regelung verabschiedet, dass keine Noten über Teams übermittelt werden dürfen, außer in Videokonferenzen des entsprechenden Schülers mit dessen Lehrkraft. Hierdurch wurde der Datenschutz noch weiter verstärkt.
Zugegebenermaßen stellt die Lösung des Landes Rheinland-Pfalz, Big Blue Button, (noch) keine gleichwertige Alternative dar. Oft wird berichtet, dass das System abstürzt und im vergleichsweise seltenen Falle der problemlosen Nutzung die Kameras ausgeschaltet werden müssen, um die Videokonferenz weiterhin reibungslos führen zu können.
Oft ist es für die jungen Schüler, seit Kontaktbeschränkungen in Kraft traten, eine der wenigen Möglichkeiten und ein Lichtblick, ihre Freunde über den Bildschirm für ein paar Minuten pro Woche zu sehen, da es in den aktuellen Zeiten persönlich nicht möglich ist. Wenn das Programm dann nicht funktioniert, ist die Enttäuschung natürlich umso größer und die Motivation sinkt noch weiter.
Für unsere jungen Mitbürger in Grundschulen sind die sozialen Kontakte, wenn auch nur durch Videokonferenzen, wichtiger denn je, denn deren Entwicklung und das Hineinwachsen in die Gesellschaft ist abhängig von Kontakten zu anderen Menschen.
Jedoch entsteht vor allem für die älteren Schüler ein großes Problem, wenn das Programm, mit welchem gearbeitet werden soll, nicht zufriedenstellend genutzt, und Unterrichtsinhalte nicht übermittelt werden können. Videokonferenzen sind wichtig, um Nachfragen stellen zu können, Themen zu besprechen oder allgemeine Probleme aufzuzeigen und bilden die Basis für das selbstständige Bearbeiten der Aufgaben, die alleine gelöst werden müssen. Zudem kann nur durch persönliche Gespräche ein problemloser Übergang zwischen Homeschooling und Präsenzunterricht sichergestellt werden, wenn die Lehrkraft sich einen Überblick über den Wissensstand der Schüler einholen kann, was ausschließlich Konferenzen vernünftig ermöglichen.
Um Fragen und Anliegen zu klären, ist die Chatfunktion von Microsoft ebenfalls geeignet. Diese ermöglicht einen einfachen Austausch zwischen Schülern mit deren Lehrern außerhalb der Videokonferenzen. Big Blue Button hat diese Funktion ebenfalls nicht, da es eine Plattform nur für Videokonferenzen ist. Gegebenenfalls muss eine zweite Plattform genutzt, oder schlimmstenfalls auf altmodische E-Mails zurückgegriffen werden, um die Chatfunktion zu ersetzen. Dies würde der Digitalisierung, deren Wichtigkeit besonders in diesen Zeiten klar erkennbar wurde, einen gewaltigen Dämpfer versetzen und dem schnellen Frage-Antwort-System von Microsoft in seiner Simplizität deutlich unterliegen.
Auch das Erlernen einer oder mehrerer neuer Apps, um die benötigten Funktionen abzudecken, wird besonders den Jüngsten Schwierigkeiten bereiten und Zeitaufwand einfordern. Zeit, die wir nicht haben, da durch das Homeschooling sowieso alles schleppender vorangeht.
Es bleibt nur noch die Möglichkeit, die neue Lösung „Schulcampus RLP“ abzuwarten, in die Programme wie Moodle und Big Blue Button integriert wurden. Ob hier die großen Probleme behoben werden können und ein erfolgreicher Start hingelegt werden kann, wenn ganz Rheinland-Pfalz darauf umsteigt, ist noch fraglich. Moodle stürzte direkt am Anfang des zweiten Lockdowns teilweise für einige Tage ab und dies erschwerte den Austausch der Arbeitsaufträge immens.
Selbstverständlich werden Kommunikationsmöglichkeiten wie Teams, Moodle oder Big Blue Button hauptsächlich während der Homeschooling-Phasen genutzt, jedoch wurden die Plattformen auch im Präsenzunterricht zum Alltagstool.
Ob es um das Hinzuschalten einzelner Schüler in Quarantäne zum Unterricht in der Schule ging, um das Hochladen von Arbeitsblättern, die Übermittlung der neusten Informationen von Seiten der Lehrer oder auch die Beantwortung der Fragen zu Hausaufgaben: Teams stellte den meisten Schülern sowie Lehrern im „neuen“ Schulalltag eine „neue“ Welt dar, von der jeder profitiert.
Egal ob während des Homeschoolings oder im Präsenzunterricht.
Es wäre ein Rückschlag für jeden, der sich an das einwandfreie System gewöhnt und damit angefreundet hat, wenn nun eine Alternative zur Verfügung gestellt wird, die Teams deutlich unterliegt.
Traut man sich tatsächlich, ein Unternehmen wie Microsoft anzufechten, das seit Jahren seinen Datenschutz verbessert und ein weltweites Netz an Nutzern hat? Traut man sich tatsächlich, eine Landeslösung als „besser“ und „sicherer“ darzustellen als ein anderes Programm, das von dutzenden IT-Experten, die bei einem der größten Softwareentwickler der Welt arbeiten, immer wieder auf Mark und Knochen geprüft wird?
Die Landesregierung sollte ihre Entscheidung überdenken. Besonders nachdem sehr viele Stimmen aus ganz Rheinland-Pfalz laut wurden. Alternativ muss das neue Programm zufriedenstellend funktionieren, sodass es Teams in dessen Funktionen und Stabilität gleichzusetzen ist.
Es ist zu hinterfragen, ob die Mängel im Datenschutz tatsächlich so gravierend sind, dass man all die Hürden auf sich nimmt, die bei einer Umstellung auf ein anderes Programm entstünden und vor allem, ob die Probleme behoben werden können und folglich ein adäquates Lernen möglich sein wird. Denn der aktuelle Zustand des Arbeitens mit Big Blue Button oder Moodle kann keine ernsthafte Lösung darstellen.
Aktuell scheint es, als wolle man den Datenschutz über den barrierefreien Zugang zu Bildung zu stellen!
Internet 2.0
Dieser Artikel soll in die Sozialen Netzwerke? Gerne! Allerdings nur unter Beachtung des Mottos "2 Klicks für mehr Datenschutz"